Zur Meinungsfreiheit westlicher Gesellschaften 
zählt das Recht zur missverständlichen Überzeichnung.
   04.01.2010 - dradio.de



 

 


Kulturforum 1.5

 

'Bildungsgerechtigkeit'
- ein Wort auch aus wahltaktischen Gründen gern benutzt - was ist darunter zu verstehen und wie ist sie umzusetzen, um sie - möglichst frei von parteipolitischen Ansätzen - zu erreichen?
In diesem Zusammenhang müssen zwangsläufig auch die unterschiedlichsten Schulsysteme betrachtet werden, die durch die föderalen Gegebenheiten in der Bundesrepublik zu berücksichtigen sind.

Politische Konstellationen ergeben sich durch das Wählervotum.
Wollte die Bevölkerung Niedersachsens eigentlich die Regierung aus CDU und FDP fortbestehen lassen, meinten einige - um dies zu sichern - sich der FDP zuwenden zu müssen, mit dem fatalen Ergebnis, dass diese Partei zwar eine hohe Zustimmung verzeichnen konnte, die Union aber geschwächt durch diese Stimmenverschiebung hervorging und mit einer Stimme Mehrheit sich eine von der Mehrheit der Bevölkerung nicht gewollte Koalition aus Rot und Grün ergab.

Diese diskutiert zur Zeit in der Schulpolitik die Fragen nach z.B.
Abschaffung von 'Sitzenbleiben' und das Wiederholen von Klassen. Die Abschulung sollen durch individuelle Förderung überflüssig gemacht und in der Grundschule die Noten durch Entwicklungsberichte ersetzt werden. Die Schullaufbahnempfehlung ist zu eliminieren - so jedenfalls in diesem Norddeutschen Bundesland, festgelegt im Koalitionsvertrag von Rot und Grün.
Bisher war gemäß den Gesetzesvorlagen möglich, für die Schuljahre 6 bis 8 wahlweise Benotungen in den Zeugnissen auszusprechen oder Entwicklungsberichte abzugeben.
Nun soll für die Gesamtschule die Benotung endgültig entfallen und nur noch Entwicklungsberichte sind abzugeben.

Hier zeigt sich eine Tendenz, die schon seit Jahren vorherrscht:
'Runter mit der Bildung und der Leistung' und hin zu einem 'Kaskoabitur', das zu fatalen Fehlentwicklungen führt - siehe hierzu der Beitrag des BR Fernsehen 'Ausbildungsmisere' vom 2. Mai 2014.
Wer meint, durch Abschaffung der Noten den Bildungsstand zu erhöhen, liegt falsch.

Die CDU will daher im Gegensatz zur jetzigen niedersächsischen rot-grünen Landesregierung das Notensystem beibehalten - was auch von 85% der Schüler und Studenten befürwortet wird - und den jungen Menschen nahebringen, dass auch in der Schule Leistung etwas zählt und gefördert wird, weil soziale Einstellung und Leistungsbereitschaft auch in Zukunft zu Schlüsselkompetenzen zählen werden. Wichtig in dem Zusammenhang muss sein die individuelle, begabungsgerechte Förderung, die auch vielfältig ist und nicht einem 'Einheitsbrei' das Wort redet, nur um zu vermeiden, nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen.

In Niedersachsen zeigte sich während der Jahre 2003 bis 2013 eine Halbierung der Anzahl junger Menschen, die ohne Abschluss die Schule verließen - hier wirkten sich die individuelle Förderung des Einzelnen und berufsorientierte Angebote aus.
Dazu Steigerung des finanziellen Aufwandes für Bildung von 3,7 Milliarden Euro auf 5 Milliarden Euro p.a. in den zehn Jahren der schwarz-gelben Regierung in Niedersachsen.
 

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Wird aus Bildungsgerechtigkeit - aus der Sicht des Erziehungswissenschaftlers - der Begriff Bildung herausgelöst, findet er sich in den Teilbereichen wie z.B. Leistung, Elternhaus, Migration, Inklusion, Finanzen, wobei hier die Zahl der 'Leitmotive' durch Verflechtungen mit anderen Einzelthemen ins Uferlose geht.
Anders bei dem Begriff Gerechtigkeit, der bereits seit der Antike unter dem Aspekt 'Gleiches für alle'  diskutiert wird.
Bildung ist nicht das, was PISA misst. Zur Bildung eines Menschen gehört nicht nur Wissen, sondern Persönlichkeitsentfaltung, aus der sich letztendlich die Frage ergibt, was habe ich als Person mit meinen Möglichkeiten, meinem über die Jahre gewachsenen Wissen, meiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis aus meinem Leben gemacht.

Es kann nicht PISA zur Beurteilung herangezogen werden, wenn allein die Sprache bei der Vermittlung von lehrplangerechtem Wissen in den Schulen nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht.
Hier Finnland - bei 98 Prozent der Schüler über Kenntnis der Sprache des Landes verfügen, gegenüber denen, die in Berlin-Neukölln oder am Münchener Hasenbergl oder in Giersing der Schulpflicht entsprechen.
Was hört ein Kind während der Schwangerschaft, Bildung beginnt bereits im Mutterleib.
In einem Familiengefüge türkischen Gastarbeiter muss die Enklelin mit der Oma zu Arzt gehen, weil die sich nicht ausdrücken kann.
Was lernt der Nachwuchs in einem solchen Umfeld?

 

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Problematisch ist der Versuch, Bildungsgerechtigkeit an Abschlüssen messbar zu machen, um festzustellen, ob Kinder aus bildungsfernen Familien schlechtere Abschlüsse machen, als solche mit Eltern aus bildungsnahen Schichten - denn Bildung lässt sich nicht an Abschlüssen festmachen.
Ganz falsch ist es, einen Rückschluss zuzulassen, wer eine geringere Bildung besitzt, ist ein minderwertiger Mensch.

Das von den Schulen zu vermittelnde Wissen offeriert einzelne Gebiete, die vom Lehrplan und den bundesrepublikanischen Regionen unterschiedlich bewertet werden, und bietet der 'Allgemeinheit im deutschen Klassenpublikum' etwas, bezogen auf heutige Bedürfnisse an. Bildung verändert sich aber und muss daher immer wieder neu definiert werden.

Gerechtigkeit bedeutet neben 'Gleiches für alle', aber auch 'Jedem das Seine' - was zwangsläufig dazu führen muss, jeden gemäß seiner Fähigkeiten zu fördern.
Ein 'Über-Hürden-hinwegheben' von Schwachen muss auf der anderen Seite auch die spezielle Förderung von Begabten vorsehen, was letztendlich der Gemeinschaft nützen kann.

Das System der Gesamtschule vermag Schwächere zu fördern, ermöglicht Bildungsgerechtigkeit, reduziert aber Begabte.
Eingliedrigkeit gegenüber Dreigliedrigkeit des Schulsystems.
Angeblich kann die Gesamtschule 'Mängel' aus einem bildungsfernen Elternhaus ausgleichen.

 

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Die Ganztagschule widerspricht dem bayerischen christ-katholischen Gedanken:
Die Mutter ist zu Hause und kümmert sich um die Kinder - so jedenfalls die Meinung, basierend auf der Aussage des Namensgebers der Stiftung - KAS: 'Kinder kriegen die Leute immer'.

In der heutigen Wirklichkeit, ob Paar, ob Ehepaar, ob Alleinerziehend - man ist froh, wenn sich jemand Qualifiziertes um die Kinder kümmert.
Was im Ausland längst Standard ist, wartet hier im Lande noch weitgehend auf Realisierung.
Kinder kommen dort spätnachmittags nach Hause, die Schulaufgaben sind unter Aufsicht gemacht, Nichtverstandenes wurde ausgiebig erklärt.

Ohne Ganztagschule sind Kinder sich selbst überlassen, ''weil's Mutterl net dahoam is' - damit Schlüsselkinder, die mit dem zu Lernenden nicht klar kommen und abends sich nicht trauen, um Hilfe zu bitten.

Hierbei ist noch zu berücksichtigen, ob die / der Erziehungsberechtigte u.U. überhaupt in der Lage ist, etwas zu vermitteln, vor allem dann, wenn er/sie selber nicht über die entsprechenden Kenntnisse - geschweige den pädagogischen Fähigkeiten verfügt - Verlangtes aufbereitet anzusagen.

Dass dabei auch Autorität der Eltern oder des einzelnen Teils beschädigt wird, erkennt das Kind:
's' Vatterl kennt sie net aus, der woaß a net ois!'
In einer Ganztagsschule werden Schwächen rechtzeitig erkannt, ehe durch mangelhafte Beobachtung, bzw. nicht rechtzeitig einsetzender Unterstützung Lücken entstehen.

Die 'Herdprämie' - von der Union als Option gepriesen - verleitet dazu, Kleinkinder in einem oft unqualifizierten Umfeld zu belassen.
Kenntnisse werden - wenn überhaupt - nur einseitig vermittelt und dann soweit der Lehrende über sie verfügt, Gemeinsamkeiten werden in einem so abgeschotteten Elternhaus auf Einzelpersonen reduziert.

Ohne Ganztagschulen stehen nur Begüterten Nachhilfeeinrichtungen zur Verfügung, die landesweit boomen oder eben die Regensburger und sonst Niederbayerische Möglichkeit:
'Hoast a dumm's Kind'l, schick's zum Pindl!'

 

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Um 'Missverständnisse' zu vermeiden:

Als Zeitungs- / Theater-Abonnent und Abnehmer von voll bezahlten Eintrittskarten aus dem freien Verkauf der Theater verstehen wir diese Besprechungen und Kommentare nicht als Kritik um der Kritik willen, sondern als Hinweis auf - nach meiner Auffassung - Geglücktes oder Misslungenes.

Neben Sachaussagen enthalten diese Texte auch Überspitztes und Satire.

Hierfür nehmen wir den Kunstvorbehalt nach Artikel 5, Grundgesetz,
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